Lage und Organisation des deutschen Buchhandels der Tschechoslowakei.
In: Buch und Volk. Monatsschrift für Bücherei- und Volksbildungswesen. Hrsg. vom Verband der Deutschen Buchwarte in der Tschechoslowakischen Republik. Sonderheft für den Internationalen Bibliothekarkongreß in Prag, 4. Jg., Mai-August 1926, Heft 5–8, S. 278–280.
Der Buchhandel in der Tschechoslowakei steht infolge seines anders gearteten Aufbaues und Wesens gesondert vom sonstigen Handelsstande. Das Wesentliche, welches ihn mit diesem verbindet, ist die wirtschaftliche Lage, weil diese, übertragen auf den Buchhandel, der Maßstab für dessen Existenzmöglichkeit ist.
Zum überwiegenden Teile ist der hiesige Buchhandel Importeur und hauptsächlich abhängig von der reichsdeutschen Bücherproduktion. Dies stellt den deutschen Buchhandel der Tschechoslowakei in zwei verschiedene Wirtschaftsleben, in das Deutschland und in das der Tschechoslowakei. Dadurch ist jede Krise, jedes Abflauen am reichsdeutschen Markte fühlbar für den hiesigen Buchhandel, ein Umstand, der, verbunden mit den im eigenen Absatzgebiete auftretenden Einflüssen (z.B. Valuta) an diesen weit größere und schwierigere Aufgaben stellt, als an das Sortiment im Deutschen Reiche. Die schwerste Belastung der Nachkriegszeit war in dieser Hinsicht der Beschluß des reichsdeutschen Verlages, dem tschechoslowakischen Sortimenter zu einem hohen Auslandspreise zu liefern, eine Maßregel, gegen die sich der hiesige Buchhandel vergeblich zur Wehr setzte und die infolge der unzulänglichen reichsdeutschen Kontrollmaßnahmen bei der Ausfuhr uns nicht nur wirtschaftlich, sondern in den Augen des Publikums auch moralisch unverdienter Maßen schwer geschädigt hat. Eine Abwanderung vieler treuer Kundschaften zum reichsdeutschen Sortiment war die Folge. Erst jetzt, nach Abbau der Auslandspreise und der Zuschläge, nachdem unser Inlandssortiment wieder in die Lage gesetzt ist, zum reichsdeutschen Originalpreise zu verkaufen, hat sich der alte Abnehmerkreis, so weit es die wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten, wieder eingefunden.
In diesen schweren Zeiten war es nötig, die Organisation des inländischen deutschen Buchhandels umzustellen und auszugestalten.
Der deutsche Buchhandel des jetzigen Staatsgebietes, bis 1918 dem Verein österr.-ung. Buchhändler angehörend, war nach der Staatentrennung nur auf die Provinzialvereine angewiesen, die die Fühlungnahme, soweit sie eben bei dem territorial ungünstigen Gebiet möglich war, aufrecht zu erhalten versuchten. Dieser materielle und geistige Werte vergeudende Zustand wurde mit der im März 1922 stattgefundenen Gründung des Verbandes der deutschen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler und –Verleger in der tschechoslowakischen Republik beendet. Diese Organisation, in 6 Untergruppen (mit leicht erreichbaren Versammlungsorten) und eine Verlegersektion gegliedert, aus dem Stamme der Provinzialvereine hervorgegangen, hat dem Buchhandel, ohne sich in die Öffentlichkeit zu drängen, über schwere Krisen hinweggefüuhrt und in den Kreisen ausländischer Fachvereine, insbesonders beim „Börsenverein und Verband der Deutschen Musikalienhändler“ seine Anerkennung als Kreisverein gefunden. Mit dem tschechischen Verbande, dem Svaz československých knihkupcův, verbinden uns sachliche und freundschaftliche Beziehungen.
Die Mitgliederzahl beträgt gegenwärtig 209, und zwar entfallen auf Böhmen 140,auf Mähren 43, auf Schlesien 20 und auf die Slowakei 6 Mitglieder. Reine Verlage, also Firmen, die kein Sortiment führen, sind gegenwärtig 3 Prozent des Mitgliederstandes; in der gleichen Höhe bewegt sich auch der Prozentsatz für reine Musikalienhandlungen; reine Kunsthandlungen verzeichnen einen Prozentsatz von 2 Prozent. Der Großteil der Mitglieder, die etwa 600 Angestellte ohne Hilfskräfte gerechnet, beschäftigen, befassen sich vorwiegend mit dem eigentlichen Ladenbuchhandel, betreiben aber zumeist auch Musikalienhandel, zum Teil auch Kunsthandel und Verlag. Die fast ausschließlich gemischten Betriebe sind die natürliche Folge unserer Verhältnisse. Unsere wissenschaftlichen Antiquariate, die internationale Beziehungen unterhalten, sind weit über die Grenzen der Tschechoslowakei bekannt. Leipzig, als Hauptpunkt des buchhändlerischen Sammelbezuges, wird von den Mitgliedern der Organisation recht ausgiebig benutzt. Etwa 72 Prozent der Unternehmungen beteiligen sich an dem raschen und gebräuchlichen buchhändlerischen Sammelverkehr, sind Komittenten Leipziger Kommissionärgeschäfte, die größeren Buchhandlungen haben überdies ihre Vertretungen in den Kulturzentren Wien, Paris, London und New-York.
Die Bucheinfuhr (aus Deutschland) des Jahres 1922 (12.980 Zentner) sank im darauffolgenden Jahre gleich wie die von Frankreich, Niederlande, Österreich, Ungarn, Schweiz und Spanien um zirka 30 Prozent auf 8.450 Zentner. Das Jahr 1924 brachte eine merkliche Besserung der Einfuhr (8.814 Zentner), während 1925 nur eine Steigerung von 2 Zentnern zu verzeichnen hat.
Die geistige Einstellung des Buchhändlers zum Buche bringt es mit sich, daß er nicht nur als Kaufmann seine Waren abzusetzen sucht, sondern daß die Ware „Buch“ kulturelle Aufgaben stellt, deren pflichtgemäße und traditionelle Erfüllung den buchhändlerischen Betrieb über das sonstige „Geschäft“ emporhebt. So kommt es, daß unsere Buchhändler die im Reiche stark bekämpfte Schundliteratur ohne Anstoß von außen aus eigenem seit jeher ausgeschaltet haben. Der oft schwere Kampf ums Dasein hat es nicht vermocht, diese ethische Einstellung zu mindern und der Verband selbst hält es für eine seiner vornehmsten Pflichten, diesen Geist zu wahren. Auch aus diesem Grunde halten wir das gutgeleitete Gemeindebüchereiwesen der Republik für eine wertvolle Unterstützung nicht nur unserer geschäftlichen, sondern auch unserer kulturellen Bestrebungen.
Vom Verbande der deutschen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler der Tschechoslowakei.