Hugo Altmann: Der Verlag.
In: Der Buchhändler, Jg. 1926, Nr. 11–13, S. 52.
Der Verlag.
Als aus den Trümmern der österreichisch-ungarischen Monarchie der tschechoslowakische Staat errichtet wurde, war für uns Sudetendeutsche unser altes Kulturzentrum Wien ebenfalls erledigt. Wurden wir bis dahin von Wien aus mit allen Lernbehelfen für unsere Schule versorgt, ließen unsere Schriftsteller hauptsächlich dort verlegen, so galt es von nun ab, sich auch auf geistigem Gebiete auf eigene Füße zu stellen und die Bücher im neuen Lande den neuen Verhältnissen entsprechende zu bearbeiten und zu verlegen. Dieser Umstand wurde von einigen unternehmungslustigen Firmen benützt und so entstanden im neuen Staate auch einige neue Verlage, die sich in der Folgezeit recht gut entwickelten und durch Heranziehung der sudetendeutschen Dichter sich langsam zu Kulturfaktoren im Sudetenlande herauswuchsen. Besonders Reichenberg darf heute den Anspruch geltend machen, für die Deutschen in der Republik die Metropole des sudetendeutschen Geisteslebens zu sein, beherbergt es doch in seinen Mauern vier der bedeutendsten Verlagsunternehmen.
Außerhalb Reichenbergs haben noch zwei Verlage Bedeutung und zwar Strache, Warnsdorf und Rohrer, Brünn, während der Verlag Haase seine Tätigkeit nach Wien verlegte und der unter guten Auspizien arbeitende Böhmerland-Verlag nach Augsburg ging. Der Auszug dieser beiden genannten Verlagsunternehmen ist wohl als kein gutes Zeichen zu deuten und veranlaßt mich zu der Frage, ob die 3 Millionen Deutsche in der Republik imstande sind, die weitere Entwicklung der noch bestehenden deutschen Verlage zu stützen. Die Antwort hierauf ist wohl so lange zu verneinen, insolange größere Teile unseres deutschen Volkes ferne stehen. Die Tätigkeit der Verlage, mögen sie heißen wie sie wollen, ist heute ein ständiger Kampf um die Erhaltung ihrer Ideale. Ich fühle hier mit Herrn Sepp Schmidt in Sternberg, welcher sich zu eben dieser Frage in seinem lesenwerten Aufsatz über die Entwicklung des sudetendeutschen Buch- und Verlagswesens in der „Wünschelrute 1926“ wie folgt, äußert: ‚Obwohl wir ein 3 Millionen-Volk sind, beweist die Erfahrung, daß wir große eigene Verlage derzeit nur zur Not tragen können, weil bedeutende Volksteile fernbleiben. Diesen Ausfall können wir nur durch Vereinheitlichung wettmachen und durch straffes Zusammenfassen der Kräfte. Mithelfen kann da jeder Sudetendeutsche durch seine Bücherauswahl nach richtiger Einschätzung des Werkes.’
Ich bin aber auch der Ansicht, daß hier in erster Linie der deutsche Sortimentsbuchhändler berufen ist, tatkräftig mitzuarbeiten. Er muß es als seine schönste Aufgabe betrachten, dem sudetendeutschen Geistesleben zur Blüte zu verhelfen und in die Reihen der Streiter für deutsches Recht und deutschen Geist eintreten. Der deutsche Verlag wird sich dann mit Freuden seinen kulturellen Aufgaben unterziehen. Anerkennend muß auch hervorgehoben werden, daß das sudetendeutsche Buch sich im Auslande bereits lobende Anerkennung und auch leidlichen Absatz erobert hat; wobei ich letzteren Umstand wohl zum größten Teil auf die konkurrenzfähigen Preise zurückführen will. In erster Linie unterstützen uns sehr die Österreicher durch ihre Anhänglichkeit. Auf dem Gebiete des Gesetzes- und juristischen Literatur dominiert wohl der Verlag Stiepel, der in mustergültiger Weise diesen Zweig immer mehr ausbaut. Was Heimatsbildung und Heimatsforschung anbelangt, so wäre die Tätigkeit des Sudetendeutschen Verlages Franz Kraus mit allen Ehren zu nennen. Erziehung und Unterricht fördert der Verlag Sollors und zeigt eine steigende Entwicklung. Die Musikaliensammlung des Verlages Strache sollte weitestgehende Unterstützung finden.
Ein besonderes Kapitel nimmt der deutsche Schulbücherverlag in Anspruch. In dieses kleine Gebiet teilen sich 5 Verlage (Nordböhmischer Verlag Ges.m.b.-H. – Reichenberg, Verlag Rud. M. Rohrer – Brünn, Roland-Verlag Morawitz– Prag, Verlag Paul Sollors Nachf. – Reichenberg, Verlag Gebr. Stiepel GmH.– Reichenberg), nebst dem Staatsverlage und es ist daher nicht anders zu erwarten, als daß einem jeden nur Bruchteile des Erfolges zufallen. Es ist zu beklagen, daß das deutsche Schulbüchergeschäft innerhalb der Republik nicht zureichend entwicklungsfähig ist. Die Ursachen liegen zum Teil auf politischem Gebiete, zum Teil in der zurückgehenden Schülerzahl. Umso anerkennenswerter ist das Bestreben der Verleger, auf diesem Gebiete immer nur das Beste zu bieten. Als ein großes Hemmnis werden die Schülerladen betrachtet. Die Entwicklung dieser Institution ist aber auch wieder ein Zeichen unserer Zeit. Der Besuch der Mittelschulen seitens der minderbemittelten Bevölkerungsklasse ist heute größer denn je und daraus erhebt sich auch der Umstand, daß man die immerhin teueren Lehrbehelfe von den Schülerladen mehr beansprucht. Dadurch ergeben sich auch wieder Schädigungen, weil erstens die Schulen durch ihre beschränkten Dotationen das Hauptaugenmerk auf den Ankauf von laufenden Schulbüchern legen und von Ankäufen hervorragender Werke Abstand nehmen müssen, zweitens weil durch das Ausleihen das sittliche Moment die Liebe zum eigenen Buche unterdrückt wird. Endlich sprechen auch die hygienischen Gründe gegen den Verbrauch der Bücher durch Ausleihen bis zum Fetzen.
Hier eine Aenderung zu schaffen, wird einmal eine dringende Notwendigkeit werden.
Ich resümiere meinen kurzen Bericht über das Verlagswesen mit dem neuerlichen Wunsche an die Kollegen vom Sortiment: Stellen Sie sich eng an die Seite des deutschen heimischen Verlages zum Wohle unseres gesamten deutschen Geisteslebens. Der Verlag wird Ihre Gefolgschaft mit Freuden annehmen und es an weiterem Idealismus und Opfern nicht fehlen lassen.
Direktor Altmann.