Hugo Altmann: Unser Heimatsverlag.
In: Buch und Volk. Monatsschrift für Bücherei- und Volksbildungswesen. Hrsg. vom Verband der Deutschen Buchwarte in der Tschechoslowakischen Republik. Sonderheft für den Internationalen Bibliothekarkongreß in Prag. 4. Jg., Mai-August 1926, Heft 5–8, S. 280–281.
Im Rahmen der alten österreichisch-ungarischen Monarchie mußten die Deutschen der Sudetenländer besondere geistige Interessen nicht verteidigen, sondern ihr Geistesleben fügte sich in die allgemeine literarische Produktion ein. Diese Verlagstätigkeit konzentrierte sich zum Teil in Wien, zum Teil förderte Deutschland unsere jungen heimischen Dichter. Der Ausgang des Weltkrieges und die Entstehung des Tschechoslowakischen Staates brachte hierin insofern einen Wandel, weil durch das Einfügen der Sudetendeutschen in das neue Staatsgebiet für diesen Volksstamm die Notwendigkeit einer Zusammenfassung aller geistigen Kräfte entstand, um seine Existenzberechtigung dem In- und Auslande gegenüber zu vertreten. Losgelöst vom alten Stamm, und auf sich selbst angewiesen, ging man daran, das geistige Kulturgut zusammenzufassen und demselben eine eigene Pflegestätte zu geben. Unter der Führung geistig hervorragender Männer, unterstützt durch gediegene Mitarbeiter, errichtete man einige neue Verlagsunternehmen, die sich zu hervorragenden deutschen Kulturfaktoren im Sudetenlande herausgebildet haben. Durch die Abwanderung des Böhmerwald-Verlages, der sich um die junge sudetendeutsche Bewegung große Verdienste erwarb, und auch des Haase-Verlages hat sich das deutsche Reichenberg zur Metropole unseres literarischen Wirkens emporgeschwungen; beherbergt diese Stadt doch vier der größten deutschen Verlage. Will ich nun eine Gliederung des deutschen Verlagswesens geben, so muß ich in erster Linie den Sudetendeutschen Verlag Franz Kraus in Reichenberg anführen, dessen Produktion im Mittepunkte die Heimat hat. Hier ist die Pflege des sudetendeutschen Volksbildungswesens zu erwähnen. Was dieser Verlag unter schwierigen Verhältnissen auf dem Gebiete der Heimatbildung schuf, verdient volle Anerkennung und Unterstützung. Durch seine deutschböhmische Volkskunde, seine Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte Böhmens und vieler anderen Schriften und Sonderhefte des Heimatbildungswesens bildet er einen Grundstein des geistigen Aufbaues unserer Heimat. Auf dem Gebiete der Gesetzes- und juristischen Literatur dominiert der Verlag Gebrüder Stiepel, Ges.m.b.H., Reichenberg, der such auch durch die Pflege der heimischen Dichter und besonders durch die Herausgabe der Sudetendeutschen Biographie, der Schriften der Anstalt für sudetendeutsche Heimatforschung, der Schriften der Deutschen Wissenschaftlichen Gesellschaft, der Böhmerland-Drucke und der Bücher der Deutschen ganz sudetendeutsch und heimatlich eingestellt hat. Dieser Verlag strebt immer mehr als ein festverankerter Pfeiler aus der sudetendeutschen Bewegung empor, dazu berufen, unserem weiteren geistigen Schaffen als Heim- und Pflegestätte zu dienen. Der Verlag Ed. Strache in Warnsdorf hat durch seine Musikaliensammlung ein begrüßenswertes Unternehmen ins Leben gerufen; durch Aufnahme der modernen Dichtung wirkt er ebenfalls im Sinne der Heimat. Der Verlag Paul Sollors Nachf. Reichenberg befaßt sich mit Erziehung und Unterricht in vorbildlicher Weise. Zu großen Schulbücher-Verlägen (sic) entwickelten sich der Nordböhmische Verlag, Paul Sollers Nachf., Gebrüder Stiepel, Ges.m.b.H. in Reichenberg, R. Rohrer in Brünn und Roland-Verlag in Prag. Alle diese genannten Unternehmungen bilden eine unschätzbare Kraftquelle, aus denen das sudetendeutsche Volk ihr geistiges Labsal schöpfen kann. Sie sind auch dazu berufen, dem sudetendeutschen Geistesleben im Auslande Geltung und Anerkennung zu erringen. Um alle unsere Geistesprodukte auch unseren Nachkommen in geordneter Weise zu erhalten, war es nötig, ein Sammelbecken zu haben. Dieser Notwendigkeit kommt die Bücherei der Deutschen, die Nationalbibliothek des Sudetendeutschtums in hervorragender Weise nach.
Es kann leider nicht verschwiegen werden, daß große Teile unserer deutschen Volksgenossen diesem großen Schaffen noch abseits stehen und so einer weiteren Entwicklung der notwendige Boden entzogen wird. Jeder Sudetendeutsche soll daher mithelfen und seine Bücherwahl unter den Heimatschätzen treffen, damit das gemeinsame Ziel, das sich die rührigen Verlage und ihre Mitarbeiter gesteckt haben, auch erreicht werden kann. Die Volksbibliotheken und deren Leiter sind dazu berufen, in diesem Sinne aufklärend zu wirken zum Wohle unseres gesamten sudetendeutschen Geisteslebens.