Paul Sollors‘ Nachf. Komm-Ges., Reichenberg/Liberec
Die Firma wurde laut Adressbuch des Deutschen Buchhandels im November 1892 gegründet und hatte ihr Geschäft am Altstädter Platz 22 (später: Adolf Hitler Platz 22). Zum Betriebsgegenstand heißt es: „Buch-, Musik- und Reisebuchhandel, Leihbücherei, Lesezirkel, Verlag, Konzertdirektion, Lehrmittelhandlung mit ständiger Lehrmittelausstellung, Pädagogische Fachbuchhandlung.“ Geschäftsführender Gesellschafter war Max Kretzer. 1913 wurde die Firma als Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung sowie Lehrmittelanstalt als Ges.m.b.H. ins Handelsregister Reichenberg eingetragen. Im Juli 1922 ging die Firma als Ges.m.b.H. in Liquidation und war seit 1.1.1923 als Kommanditgesellschaft (KG) eingetragen. Im Oktober 1927 nahm Sollors‘ auch einen tschechischen Firmennamen an. Persönlich haftender Gesellschafter war der deutsche Landeslehrerverein in Böhmen in Reichenberg, Max Kretzer hatte die Prokura inne. Eine neue Eintragung in das Handelsregister Reichenberg am 25. Mai 1940 zeigt eine Änderung in der Firmenstruktur. Persönlich haftender Gesellschafter ist der NS.-Lehrerbund, Bayreuth, vertreten durch ein von der Gauwaltung Sudetenland hierzu bestelltes Mitglied gegenwärtig Josef Syrowatka, Fachlehrer in Reichenberg. Syrowatka ist Vater des Kinder- und Jugendbuchautors Otfried Preußler.
Am 9. Mai 1941 vermerkt das Handelsregister eine letzte Änderung: Geschäftsinhaber war nunmehr Deutscher Volksverlag Ges.m.b.H. in München, gegenwärtig vertreten durch Geschäftsführer Max Pfeifle in München. Die Prokura von Max Kretzer blieb bestehen, allerdings schied er als Kommanditist und der NS-Lehrerbund als persönlich haftender Gesellschafter bei dieser Gelegenheit aus der Firma aus. Die ehemalige Firma Paul Sollors‘ Nachfg. ist somit als Einzelfirma an den Deutschen Volksverlag in München (Vormals Deutscher Volksverlag Dr. E. Boepple, gegründet 1. April 1919) übergegangen. Diese Firma (Volksverlagshaus, Buch- und Zeitschriftenverlag, Buchvertrieb) gab es seit dem 21. März 1935. Schwerpunkte des Buchverlags waren nationalsozialistisches Schrifttum, Veröffentlichungen des NS.-Lehrerbundes und schöngeistiges Schrifttum.
Die Buchhandlung Paul Sollors‘ Nachf. in Reichenberg (Altstädter Platz 22) wurde im Jahre 1892 gegründet und hat sich im Laufe der Jahre aus einem kleinen Provinzgeschäfte zu einer der größten deutschen Buchhandlungen der tschechoslowakischen Republik entwickelt; sie umfaßt eine Sortimentsabteilung, eine Verlagsabteilung und eine Lehrmittelanstalt mit physikalischer Werkstätte.
Die Sortimentsabteilung pflegt den Vertrieb nur guter Bücher und Zeitschriften aus allen Gebieten der Wissenschaft, Kunst und Unterhaltung sowie des Jugendschrifttums, eine ihr angeschlossene Abteilung besorgt Musikalien jeder Art; auch antiquarische Werke werden nach Möglichkeit beschafft. Infolge ihrer großen gut gewählten Lagervorräte ist die Sortimentsabteilung in den Stand gesetzt, Nachfragen meist sofort zu befriedigen; augenblicklich Fehlendes wird schnellstens besorgt. Der Belieferung von Gemeinde-, Volks-, Vereins-, Lehrer- und Schülerbüchereien mit Werken bester Literatur hat die Sortimentsabteilung stets die größte Sorgfalt gewidmet und war jederzeit bestrebt, durch sachgemäße Beratung auch ihren Anteil zur Förderung der allgemeinen Volks- oder fachlichen Fortbildung beizutragen. Als Vereins-Buchhandlung des Deutschen Landeslehrervereines führt die Sortimentsabteilung auch eine umfangreiche Sonderabteilung für den Bedarf des Lehrers und der Schule an pädagogischen Werken und Lehrbüchern für alle Schulgattungen.
Die Verlagsabteilung hat seit Angliederung an die Buchhandlung eine große Reihe eigener Verlagswerke hergestellt und herausgegeben, die vorwiegend folgenden Gruppen angehören: Pädagogik, Schulbücher, Jugendschriften und Bilderbücher, Wandkarten und Schülerhandkarten, Wanderkarten sowie auch schöngeistige und Heimatliteratur. Die pädagogischen Handbücher erscheinen zumeist im Einvernehmen mit literarischen Fachabteilungen, sind also geprüftes Handwerkszeug für den Lehrer. Alle Schulbücher, Wandkarten und Schülerhandkarten sind vom Ministerium für Schulwesen und Volkskultur approbiert, die Jugendschriften des eigenen Verlages durchwegs von Jugendschriftenprüfungsausschüssen durchgesehen und empfohlen.
Die Lehrmittelabteilung mit physikalischer Werkstätte hat durch sorgfältigen Ausbau einen Hochstand erreicht, der allen berechtigten Anforderungen nicht nur der Schulen sondern auch mancherlei privatem Bedarf an einschlägigen Artikeln entspricht. Die Lehrmittelabteilung ist aus ganz bescheidenen Anfängen hervorgegangen und befaßte sich zunächst nur mit dem Vertriebe von Lehrmitteln für den gesamten Unterrichtsbedarf. Bald aber ist sie auch zur Selbstherstellung von Lehrmitteln verschiedener Art übergegangen und hat zu diesem Zwecke eine physikalische Werkstätte eingerichtet, die mit den modernsten Maschinen für elektrischen Betrieb ausgestattet ist. Im Laufe der letzten Jahre wurde auch dem Projektionswesen ein besonderes Augenmerk gewidmet und wurden Lichtbildwerfer (Episkope, Epidiaskope, Triaskope usw.) hergestellt, die es z.B. ermöglichen, mehrere Projektionen gleichzeitig auf verschiedenen Schirmen zu erhalten. Als besondere Abteilung führt die Lehrmittelanstalt auch noch eine Abteilung für Photo- und Radioapparate.
Das Hauptaugenmerk der Leitung des ganzen Geschäftsbetriebes war und ist immer darauf gerichtet, in allen Abteilungen nur Gutes und Bestes zu bieten und dadurch Minderwertiges, das meist verderblich wirkt, mit allem Nachdruck zu bekämpfen, um wahrer Volksbildung den möglichst besten Dienst zu leisten.
In: Handbuch der sudetendeutschen Volksbildung: Kulturpolitisches Handbuch in Selbstdarstellungen der sudetendeutschen Verbände. Herausgegeben im Auftrage der „Gesellschaft für Deutsche Volksbildung in der Tschechosl. Republik“ von Emil Lehmann. Reichenberg: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus 1931, S. 542–544.