Ed. Hölzel, Olmütz/Olomouc u.a.
Eduard Hölzel †
Der Mann, den wir am 26. d.M. zu Grabe geleitet, ist von einer so hervorragenden Bedeutung für den österreichischen Buchhandel, daß es uns vergönnt sein möge, auf dessen Lebensgang ausführlicher zurückzukommen.
Eduard Hölzel wurde im Jahre 1817 am 8. October zu Prag geboren, wo sein Vater Johann Thomas Hölzel, vermählt mit Margaretha geb. Herlth, eine schon früher im Besitze der Familie Hölzel gewesene Eisenhandlung besaß. Nach zurückgelegten Untergymnasialstudien trat Hölzel in die Buchhandlung Borosch & André in Prag als Lehrling ein, wo er vier Jahre zubrachte. Hierauf servirte er eine Reihe von Jahren in Leipzig, Mainz, Augsburg, Würzburg, Wien und schließlich in Brünn, um dann im Herbste 1844 in Olmütz mit sehr bescheidenen Mitteln, aber ausgerüstet mit tüchtigen Kenntnissen und vertrauend auf die eigene Kraft, seine Buchhandlung zu begründen.
Es gehörte hierzu wohl einiger Muth, da er in Olmütz, außer einem ihm verwandten Officier, niemand kannte; doch schon nach kurzer Zeit wurde ihm von seinen Mitbürgern das größte Vertrauen und Wohlwollen entgegengebracht, so daß er sich bald an dem Gedeihen und raschen Aufblühen seines Geschäftes erfreuen konnte.
Am 28. Februar 1848 vermählte er sich mit Hedwig, der Tochter des in österreichischen Diensten stehenden Hannoveraners Major Niemann, mit welcher er in der glücklichsten Ehe lebte. Frau Hedwig Hölzel war eine feingebildete, höchst liebenswürdige und ausgezeichnete Frau, welche die Erziehung ihrer Kinder vortrefflich leitete und nicht wenig dazu beitrug, daß Hölzel’s gastfreundliches Haus in Olmütz den Mittelpunkt einer geistig anregenden Gesellschaft bildete.
Im Geschäfte entwickelte Hölzel eine außerordentliche Thätigkeit. Im Jahre 1849 errichtete er eine Filialbuchhandlung in Neutitschein, im Jahre 1858 eine solche in Mähr.-Schönberg, 1864 eine in Sternberg und 1880 eine in Prerau. Neben diesem groß entwickelten Sortimentsgeschäfte warf er sich gleichzeitig mit voller Energie und Geschicklichkeit auf umfangreiche Verlagsunternehmungen.
Das Album von Böhmen und Mähren war gewissermaßen die Grundlage zu seinem Kunstverlage. Zur Herstellung desselben trat er mit dem bekannten Lithographen Hofegicht in Wien in Verbindung und übernahm 1861 dessen Anstalt für eigene Rechnung. Im Jahre 1870 übersiedelte er von Olmütz, wo er mehr als ein Vierteljahrhundert neben mancherlei Sorgen und Mühen recht glückliche Zeiten verlebt hatte und wo ihm ein schönes Familienleben erblüht war, nach Wien, gründete daselbst sein Kunst-Verlagsgeschäft und verband mit demselben ein geographisches Institut sowie eine Kunstanstalt für Oelfarbendruck. Zu diesem Zwecke kaufte er ein eigenes Haus in der Louisengasse, welches er den Anforderungen seines Institutes entsprechend erweitern ließ.
In allen diesen Zweigen, wovon jeder einzelne einen ganzen Mann bedurfte, entwickelte Hölzel große Umsicht und bahnbrechende Thätigkeit. Ueberall wußte er die besten Kräfte an sich zu fesseln, und nicht minder geschickt leitete er in ruheloser Arbeit den Vertrieb. Seine Farbendruckbilder, wohl die ersten, die in Österreich erzeugt wurden, zumeist Reproduktionen nach Gemälden hervorragender Künstler, wie: Defregger, Kurzbauer, Mathias Schmidt, E. Blaas, L’Allemand, Munkáesy etc. etc., gehören zu den besten dieser Art.
Sein geographischer Verlag, mit Kozenn’s Schul-Atlas begonnen, wurde im Laufe der Jahre nach allen Richtungen ausgebaut. Dieser genießt mit vollem Rechte den Ruf eines durchaus soliden und gediegenen, bei dessen Herstellung keine Kosten gescheut wurden. Der rastlosen Thätigkeit Hölzel’s in dieser Richtung verdankt Österreich die schließlich errungene Unabhängigkeit vom ausländischen Karten-Verlage, und die fachmännische Urtheile auf den Geographentagen Deutschlands haben in überragender Weise dargethan, daß die Leistungen von Hölzel’s Geogr. Institute den vorzüglichen Leistungen Deutschlands auf diesem Gebiete eine gefährliche Concurrenz bereiten – ein Erfolg, den man zehn Jahre vorher in Oesterreich kaum für möglich gehalten hätte.
Ebenso vorzüglich entwickelte sich sein Lehrmittel-Verlag, es darf zum Belege dafür wohl nur das großangelegte Werk „Bilder zur Geschichte“ von Langl angeführt werden, dem sich dann die „Geographischen Charakterbilder“ und eine lange Reihe von Lehrmitteln für den Anschauungsunterricht anschließen, auf welchem Gebiete der Hölzel’sche Verlag heute eine Specialität bildet, wie sie wohl kaum in gleicher Ausdehnung zu finden ist.
Wie bei jeder bahnbrechenden Thätigkeit, so blieb auch der Hölzel’s die Nachahmung und Concurrenz nicht erspart. Diese hinderten aber nicht, daß er mit größter Energie unentwegt den sich vorgesteckten Zielen nachstrebte. Seinem Verlage muß auch nachgerühmt werden, daß dessen Absatz sich nicht auf Oesterreich allein beschränkte, sondern daß er großentheils auch exportfähig war und in der ganzen Welt verbreitet ist.
Ungeachtet diese angestrengte Thätigkeit ihn vollauf in Anspruch nahm, widmete er sich doch auch allgemeinen Interessen. So war er durch sechs Jahre Vorsitzender des „Vereines der österreichischen Buchhändler“, durch eine Reihe von Jahren Vorstands-Stellvertreter des „Wiener Buchhändler-Gremiums“, durch viele Jahre Vicepräsident der „Olmützer Handels- und Gewerbekammer“, Ausschlußmitglied der „K.k. geographischen Gesellschaft“, Curator der „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ etc. In allen diesen Stellungen hat er die übernommenen Pflichten stets auf das gewissenhafteste erfüllt.
Die großen Verdienste, welche sich Hölzel um den österreichischen Buchhandel erworben, wurden allseitig anerkannt. Nicht nur genoß er bei allen seinen Collegen die größte Achtung, auch vom Kaiser wurde sein Wirken durch Verleihung des Franz-Josefs-Ordens und der Medaille für Kunst und Wissenschaft gewürdigt, sowie er auch auf allen großen Ausstellungen die höchsten Auszeichnungen erhielt.
Im gesellschaftlichen Verkehre war Hölzel von ausnehmender Liebenswürdigkeit. Er interessirte sich aufs lebhafteste für Kunst und Musik und verkehrte gern mit Künstlern und Gelehrten. Im Hause übte er die edelste Gastfreundschaft. Der Umgang mit ihm war immer anregend und interessant, und seine heitere Lebensanschauung sowie auch sein freundlicher Humor gewannen ihm alle Herzen. An seinen Freunden hielt er mit treuer Anhänglichkeit, und Jedem war er ein willfähriger Berather.
Ein glückliches Familienleben, wie es in so schöner Harmonie selten vorkommt, verschönte seine Tage. Das Zusammenleben mit seiner musterhaften Frau, seinen Söhnen Hugo, der ihm schon seit 1873 im Geschäfte zur Seite stand, Adolf, welcher später als Maler nach München übersiedelte, und seinen Töchtern Emma, mit dem Verlagsbuchhändler Carl Graeser, und Hedwig, mit Emil Kosmack verheiratet, war ein wahrhaft patriarchalisches.
Leider war es ihm nicht vergönnt, dasselbe bis ans Ende seiner Tage zu genießen.
Schon seit seiner frühen Jugend von einem chronischen Kopfleiden gequält und verfolgt, bot Hölzel’s Erscheinung bis vor wenigen Jahren doch noch ein Bild ungeschwächter und unbeugsamer Manneskraft, und seine starke Natur, wohl auch seine Selbstbeherrschung, gepaart mit einem eisernen Willen, vermochten ihn trotz seiner aufregenden Thätigkeit aufrecht zu erhalten. Erst eine gefährliche typhöse Erkrankung im Jahre 1878 am Aachensee, von wo er in hoffnungslosem Zustande unter unendlichen Schwierigkeiten nach Wien gebracht wurde, insbesondere aber der am 28. März 1881 in Gries bei Bozen erfolgte plötzliche Tod seiner so hingebungsvollen, von ihm so über Alles geliebten Gattin führten eine wesentliche Veränderung mit ihm herbei.
Sein geschwächter Gesundheitszustand legte ihm den Wunsch nahe, der ihm so lieb gewordenen geschäftlichen Thätigkeit – sie war neben der Sorge für seine Familie sein einziger und alleiniger Lebenszweck – wenn auch nur theilweise zu entsagen. Er zog sich 1882 nach Salzburg zurück, wo er im Vereine mit einigen ihm zugethanen Freunden nur seiner Gesundheit lebte. Im November l.J. trat eine Verschlimmerung seines Zustandes ein, die Ärzte constatierten ein Herzleiden, dem der körperlich noch kräftige und bis wenige Stunden vor seinem Tode geistig noch rege Mann erliegen sollte. Der liebevollen und aufopfernden Pflege seiner Kinder, die in den ersten Tagen des December an sein Krankenbett geeilt waren, gelang es wohl, ihm Erleichterungen zu verschaffen und seine trüben Gedanken an sein nahes Ende zu verscheuchen – die Katastrophe abzuwenden vermochte aber niemand mehr. Umgeben von seinen Kindern gab er am 21. December, 12 ½ Uhr Mittags, nach einem schon lange entbehrten ruhigen Schlafe seinen nimmermüden Geist auf. Nach Wien überführt, wurde er unter großer Betheiligung seiner Collegen und zahlreicher Freunde und Bekannten an der Seite seiner treuen Lebensgefährtin zur ewigen Ruhe bestattet.
Wenn wir einen Blick zurückwerfen auf die bedeutenden Leistungen Hölzel’s, auf die Erfolge, welche er erzielte, so finden wir die Erklärung in einer unermüdlichen Thätigkeit, in seinem regen Unternehmungsgeiste, in seiner Ehrenhaftigkeit und geschäftlichen Tüchtigkeit. Mit einem Worte: er war ein ganzer Mann, und dankbar blickt auf seine letzte Ruhestätte eine zahlreiche Familie, die in ihm den Begründer ihres Glückes beweint, – dankbar ein großes Geschäftspersonal, das in ihm stets ein Vorbild rastlosen Fleißes und unermüdlicher Ausdauer erblickt, – dankbar endlich die vervielfältigende Kunst, die Schule und die geographische Wissenschaft, die Alle in ihm einen eifrigen Freund und Förderer gefunden und denen er durch 40 Jahre seines Lebens treue und aufopfernde Dienste geleistet hat.
Ehre seinem Andenken!
Wien, 29. December 1885.
Rudolf Lechner.
In: Österr.-ungar. Buchhändler-Correspondenz, Nr. 1, 2. Jänner 1886, S. 4–5; siehe ferner Ed. Hölzel 1844–1969. Zum 125jährigen Bestand des Hauses am 15. Oktober 1969. Wien 1969.