Druckerei von Ed. Strache, Warnsdorf-Wien
50jähriges Geschäftsjubiläum der graphischen Großbetriebe Ed. Strache in Warnsdorf und Haida.
Im Oktober 1869 gründete ein kleines Konsortium, an dessen Spitze Buchhändler Friedrich Pohl stand, Warnsdorfs erste Buchdruckerei, als deren verantwortlicher Leiter Karl Kraus zeichnete. Im Hofhaus der „Börse“, neben den Stallungen, in von Nässe und Schwamm triefenden Räumen wurde eine Handpresse aufgestellt und mit dem bescheidensten Bestande an Lettern und Vorräten der damals nicht weniger bescheidene Bedarf Warnsdorfs an Buchdrucksorten zu decken versucht. Am 16. August 1871 flatterte die erste Nummer der „Abwehr“, Organ der Altkatholiken, redigiert von P. A. Nittel, und mühsam auf der einzigen zur Verfügung stehenden Handpresse abgezogen, in die Welt. In bescheidener Auflage, aber getragen von Stolz und Vertrauen einer begeisterungsstarken altkatholischen Gemeinde, kämpft die „Abwehr“ in wöchentlich zweimaligem Erscheinen um ihre Existenz. 1872 wird Eduard Strache, Gehilfe der Pfeiferschen Druckerei und Buchhandlung in Rumburg, für die Leitung der Warnsdorfer Druckerei in der Absicht gewonnen, ihr Schicksal jüngeren Händen anzuvertrauen. Am 11. März 1874 übernimmt Eduard Strache von Friedrich Pohl die Buchdruckerei und den Verlag der „Abwehr“ und gründet die Druckereifirma Ed. Strache. Auf eigenen, wenn auch bescheidenen Besitz gestellt, beginnt nun ein Leben voll hingebungsvollster Pflichterfüllung und wunderbarer Tatkraft. Es bestand ein stilles Einvernehmen, den Fremden nicht emporkommen zu lassen. Dessen Energie und Selbstvertrauen aber war stärker als Mißgunst. Allmählich wurde Arbeitsgelegenheit aus der engeren und weiteren Umgebung herbeigeschafft und der Betrieb durch Anschaffung neuen Schriftenmateriales sowie der ersten Schnell- und Tiegeldruckpresse ausgestattet. 1878 übersiedelt die kleine Druckerei in die sogenannten „Mittelmühle“, wo mit mechanischem Antriebe im Anschluß an die bestehende Wasserturbine gearbeitet und mit dem bisherigen mühseligen Handantrieb aufgeräumt werden kann. Eine zweite Buchdruckschnellpresse hält Einzug. 1879 wird Lithographie und Steindruckerei durch Erwerb der bestehenden, noch handwerksmäßig betriebenen Rotheschen Steindruckerei angegliedert. 1881 erscheinen erstmalig im eigenen Verlage die Nittelschen „Geschichten vom Hockewanzel“, womit die Verlagstätigkeit der Firma beginnt. Im Oktober 1883 übersiedelt der Betrieb in das eigene, am Marktplatz errichtete Druckereigebäude. Kessel- und Dampfanlage, elektrisches Licht, neue Buch- und Steindruck- sowie Hilfsmaschinen werden aufgestellt, Buchbinderei angeschlossen und ein Papiergeschäft eingerichtet. Die materiellen Sorgen, die dieser Ausbau mit sich bringt, werden durch kaufmännische Tüchtigkeit und Umsicht, unermüdlichen Fleiß und eine damals noch mit Lust und Liebe mithelfende, treubewährte Arbeiterschaft bald aufgewogen.
1886 legt Ed. Strache sein ihm 1885 aufgezwungenes Reichsratsmandat nieder, weil der Betrieb seiner Führung auf die Dauer ohne schwere Schäden nicht entraten kann. Am Scheidewege zu ausschließlich politischer oder mehr wirtschaftlicher Zukunft entschließt sich Strache in innerem Kampfe, der dem von hochfliegenden Gedanken und einer tiefen Liebe zum deutschen Volkstum beseelten Manne nicht leicht geworden sein mag, zugunsten seines Betriebes und seiner Familie.
Unermüdlich wird nun am Ausbau der Druckerei und ihrer Leistungsfähigkeit gearbeitet. Das Ende des Jahre 1896 sieht die Betriebsräume durch Zubau verdoppelt. 1897 tritt der Sohn Ed. Straches, der jetzige Chef des Unternehmens, Robert Strache, in die Dienste der Firma. Mit vereinten Kräften wird vorwärts gestrebt. Mit Hilfe einer zur Jahrhundertwende auf 180 Köpfe anwachsenden fachtüchtigen Beamten- und Arbeiterschaft werden Druckarbeiten produziert, die an Akkuratesse, Geschmack und Zuverlässigkeit den besten, damals viel bevorzugten Auslandserzeugnissen standhalten. Buchdruck und Steindruck werden durch Anschaffung modernster Maschinen und Behelfe, Linotype-Setzmaschinen, amerikanischer Druckpressen größter Formate, Zink- und Aluminiumrotation, allmähliche Aufstellung eines stattlichen Parkes von Hilfsmaschinen ausgestaltet, dem Steindruck und im besonderen der Merkantil- und Chromolithographie erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt, Spezialarbeiter gewonnen, allmählich Prägerei, Rastriererei, Geschäftsbücher und Musterkartenerzeugung angegliedert. 1905 übersiedelt die Steindruckerei mit ihren Hilfsabteilungen in einen stattlichen Zweistockanbau; die alten Betriebsräume dienen zur Erweiterung des Buchdruck- und Buchbindereibetriebes. Imposante Papierlager werden eingebaut. Ein zweiter, größerer Kessel und eine 100pferdige Dampfmaschine mit neuer Lichtanlage wandern in ein besonderes Maschinenhaus, Lichtdruckerei mit vier Schnellpressen und photographischem Atelier eingerichtet. 1911 beginnt der Seniorchef unter dem eisernen Zwange eines schweren Herzleidens sich von Oeffentlichkeit und Geschäften zurückzuziehen. Am 1. Juli 1912 schließt Eduard Strache für immer die Augen, in Familie, Unternehmen und öffentlichem Wirken eine unersetzliche Lücke zurücklassend, aber ein Lebenswerk, gesegnet von seinem Fleiße und Ehrenhaftigkeit, seiner Tüchtigkeit und einer Kraft, die typisch war für alles, was er schaffte.
Nur mit verdoppelter Anspannung aller Kräfte, und gesteigerter Schaffensfreude war diesem bitteren Verluste, zu dem sich noch die wirtschaftliche Depression der Vorkriegsjahre gesellte, zu begegnen. Der von Grund aus fest und sicher gefügte Betrieb bestand auch diese Prüfungen. Unverzagt wird am Ausbau der Leistungsfähigkeit des ganzen, unendlich vielseitig gewordenen Apparates und der Veredlung seiner Erzeugnisse fortgewirkt. Mittlerweile war der Betrieb auf 260 Beamte und Arbeiter (heute insgesamt 330) angewachsen. Noch das Kriegsjahr 1914 bringt Erstarkung der technischen Mittel durch Aufstellung einer Monotype-Setzmaschinen-Anlage, der Kriegsbeginn den Entschluß, die „Abwehr“ künftig als Tagblatt erscheinen zu lassen, damit dem, durch die sich überstürzenden Kriegsereignisse gesteigerten Bedürfnis nach einem raschen Pressedienst entsprochen werden kann. Die beiden ältesten und tüchtigsten Beamten der Firma Josef Gampe und Gustav Lohse, werden mit der Prokura betraut. Die Einberufungen zum Kriegsdienst, dem Ende August 1914 auch Robert Strache Folge leisten muß, bringen empfindliche Betriebsstörungen, die technische Unmöglichkeit, einen von den Kriegszentralen fernen Druckereibetrieb auf Kriegsdienst umzustellen, eine allmähliche Betriebsreduktion um ungefähr 80 Prozent. Die private Druckindustrie der ganzen Monarchie leidet schwer unter Arbeitsmangel. Um den brachliegenden wertvollen Druckmaschinen „Futter“ zu schaffen, entschloß sich Robert Strache, in Wien zur Aufmachung eines Buch- und Musikalienverlages, der als Zweigunternehmer des Warnsdorfer Hauptbetriebes protokolliert wurde. Ein Theaterbetrieb im Wiener Komödienhaus wird erworben, um dem Theater- und Musikvertriebe des Verlages rascher festen Boden zu gewinnen. Auch des Verlages Anfänge sind mühsam und reich an Enttäuschungen gewesen, die der monarchistische Zusammenbruch nicht minderte, denn die politische Verlagsnote war auf ein deutsches Mitteleuropa gestimmt. Aber zähe Ausdauer und ein mit den Erfahrungen immer klareres Ziel führten auch hier allmählich zu einer Höhe, die den Verlag Ed. Strache mit seinen Auslieferstellen in Prag, Leipzig, Budapest und Warnsdorf heute in der Reihe der angesehensten deutschen Verlagsunternehmen sieht. Die Kriegspsychose löste in Wien eine literarische Sturm- und Drangperiode aus, die sich ebenso überschäumend als kurzlebig in expressionistischer Buchmache austobte, deren Bedürfnis der Verlag mit einer kleinen Reihe typischer Bucherscheinungen Rechnung trug. Er fühlte sich allerdings nicht wohl in diesem Milieu. Die Bucherwerbungen wurden in andere, dem Deutschtum gesündere Bahnen gelenkt und allmählich Autoren gewonnen, die an erster Stelle im deutschen Schrifttum wirken. Die bedeutsamste Schöpfung des jungen Verlages aber wurde das 1920 im Einvernehmen mit der Wiener Hofbibliothek geschaffene Museion. In dieser Bibliothek, die sich vor kurzem zur österreichischen Staatsbibliothek umgestaltete, ruhen, der gelehrten Welt vielfach dem Publikum beinahe völlig fremd, unermeßliche Schätze an Handschriften und Druckwerken. Versuche, diesen kostbaren Bestand zugänglich und nutzbar zu machen, wurden wiederholt unternommen; eine weiter ausblickende Sammlung von Veröffentlichungen ist indes bisnun nicht zustande gekommen. Dies soll nun in dieser Zeit, die Kulturbesinnung als Erlösung brauchen könnte, mit den Museion Werken geschehen; durch die Direktion der Bibliothek gefördert, veranstaltet der Verlag unter Redaktion der Bibliothekare eine Publikation dieser Art. Das Unternehmen, auf dessen Herstellung der Verlag, in genauester Kenntnis seiner Aufgabe und Verantwortung, besondere Sorgfalt verwenden wird, umfaßt drei in sich geschlossene, zusammen ein Ganzes bildende Sammlungen: Erstausgaben und Neudrucke, Faksimilia von Handschriften, Miniaturen und Kupferstichwerke, kritische Neu- und Erstdrucke aus allen Gebieten; Abhandlungen, Tafelwerke großen Stils, umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten und Kataloge, Bildmaterial in mustergültigen reproduktiven Verfahren; Mitteilungen, zwanglos erscheinende Hefte, inhaltlich kleinere Studien und Berichte mit Abbildungen, Tafeln und Noten. Die Auswahl und Aufeinanderfolge der Texte und Themen wird dem Forscher ebensosehr wie dem Freunde des Schönen dienen, die Grundsätze der inneren und äußeren Gestaltung werden der Kritik des Gelehrten und dem Anspruch des Liebhabers in jeder Weise genügen. Veröffentlichungen, die mit einem weiteren Leserkreis rechnen dürfen, sollen in volkstümlichen Ausgaben erneuert werden. Einzig in seiner Größe, mit Opfermut und festem Vertrauen begonnen, wird „Museion“ nicht nur dem deutschen Volke, sondern der ganzen gebildeten Welt Literaturwerke vermitteln, die bisher nur Auserwählten zugängig waren. Die Früchte dieser Arbeit, deren Reife längere Jahre fördern dürfte, werden Kommende genießen.
Mittlerweile ist es unverzagtem Bemühen gelungen, auch den Druckereibetrieb mit seiner Filialdruckerei in Haida aus der Oede der Kriegsjahre in eine Stätte reger Arbeit und unverdrossenen Schaffens emporzureißen. Die Verengung des Absatzgebietes durch die neuen Balkangrenzen wurde rasch durch kaufmännische Anpassung an die geänderten Verhältnisse wettgemacht, ohne daß den alten Traditionen auch nur in Gedanken mit Untreue gelohnt worden wäre. Das Jahr 1920 brachten einen Staatsauftrag über den Druck von 50 Millionen tschechischer Einsernoten, der einwandfrei erledigt wurde, trotzdem aber keine Erneuerung erfuhr, weil dem Wühlen des tschechischen Chauvinismus gegen amtliche Beschäftigung deutscher Unternehmen und Arbeiten Rechnung getragen werden mußte.
Die Druckerei darf solcher Aufträge, gestützt auf das Vertrauen eines über 9000 Kundenkonti starken Abnehmerkreise, entraten. Buch- und Zeitungsdruckerei in Warnsdorf und Haida, Steindruckerei, Merkantil- und Chromolithographie, Lichtdruckerei und Photographie, Buchbinderei, Musterkarten und Geschäftsbüchererzeugung nebst Papierhandlung, endlich der Verlag mit seinen Zweigen sind nun die Gesamtheit dessen, was die Arbeit der Firma Ed. Strache betreut. Wahrlich in seiner Gesamtheit ein Werk, das umsomehr zu voller Genugtuung berechtigt, weil es mühsam, in zäher Ausdauer in immer wieder notwendigem Kampf gegen gewaltsame Störungsversuche von außen und innen behauptet werden mußte und nicht nur dem eigenen und dem Wohle aller seiner Mitarbeiter, sondern, seit Anfang der Firma in deren Verlage erscheinende „Abwehr“, auch dem großen Gedanken deutscher Kultur gewidmet ist. Die Arbeit, die uns freut, wird zum Ergötzen. Sei ihr auch weiterhin Segen und der Freunde Vertrauen beschieden.
Der Buchhändler, Nr. 10, 1924, S. 48–50.
Siehe zu Ed. Strache auch:
- ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 337f.
- Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938. Band 2: Belletristische Verlage der Ersten Republik. Wien: Böhlau 1985, S. 384-395.